Landesverwaltungsgericht

Seit 1.1.2014 hat Österreich eine „zweistufige Verwaltungsgerichtsbarkeit“. Dieser Reformschritt ist ein „Jahrhundertwerk“.  Ein auf Gewaltenteilung basierender Rechtsstaat hat die fundamentale Staatsaufgabe des Rechtsschutzes in der Verwaltung auf Gerichte übertragen. Österreich wurde als klassischer Verwaltungsstaat in einen Justizstaat umgewandelt. Der verwaltungsinterne Instanzenzug wurde grundsätzlich abgeschafft (nur im Gemeindebereich bleibt er im Burgenland erhalten). An die Stelle zahlreicher Berufungsbehörden traten Verwaltungsgerichte erster Stufe, zwei Bundesverwaltungsgerichte (eines für allgemeine Angelegenheiten und eines für Finanzen) und neun Landesverwaltungsgerichte. Das „Bundesverwaltungsgericht“  entscheidet über Beschwerden in Rechtssachen der unmittelbaren Bundesverwaltung wie Asyl- und Fremdenrecht, Bundesvergabegesetz, Wehrgesetz sowie das Ausländerbeschäftigungsgesetz und das ASVG ua. Das „Bundesfinanzgericht“ entscheidet über  Beschwerden in Rechtssachen in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben und in Finanzstrafsachen, die unmittelbar von den Finanzämtern und Zollämtern besorgt werden. 

Für jedes Bundesland wurde ein Landesverwaltungsgericht eingerichtet, das die bisherigen Unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern ablöst. Das Landesverwaltungsgericht ist zuständig für alle Landesrechtssachen (wie Naturschutz,- Jagd-, Baurecht, Landesvergaben, Gemeindeangelegenheiten) und solche Bundessachen, die in mittelbarer Bundesverwaltung vom Landeshauptmann oder Bezirksverwaltungsbehörden (wie Gewerbeordnung, Wasserrecht, Abfallwirtschaftsgesetz) besorgt werden. Dazu kommen alle Verwaltungsstrafsachen. 

Auf der zweiten Stufe steht der Verwaltungsgerichtshof in Wien. Dieser entscheidet über Revisionen gegen Erkenntnisse der Verwaltungsgerichte. Allerdings kann er nur mehr eingeschränkt angerufen werden. 

Auswirkungen der Reform
Das neue Rechtsmittelsystem ist einfacher und übersichtlicher als das alte mit über 100  verschiedenen Berufungsbehörden. Die BürgerInnen können jetzt a l l e ihre Verwaltungsrechtssachen in einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vortragen, erörtern und von einem unabhängigen und unparteilichen Richter beurteilen lassen, was den Rechtsschutz verbessert. Sie müssen sich dazu auch nicht mehr wie bisher an den Verwaltungsgerichtshof in Wien wenden sondern können in fast allen Sachen das Verwaltungsgericht in ihrem Bundesland anrufen. Insgesamt führt die neue Verwaltungsgerichtsbarkeit auch zu einem leichter zugänglichen und besseren Rechtsstaat, der nunmehr auf allen Verwaltungsgebieten den Anforderungen der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Grundrechtecharta der EU entspricht. Mittelfristig ist auch zu erwarten, dass die Verfahren kürzer und für den Staat billiger werden. Die Vorschaltung der Verwaltungsgerichte wird auch zu einer Entlastung des Verwaltungsgerichtshofes führen.  

Gemeinde
Im Gemeindebereich bleibt der interne Instanzenzug erhalten, gegen den Bescheid des Bürgermeisters ist Berufung an den Gemeinderat weiterhin zulässig. Dagegen kann Beschwerde an das LVwG erhoben werden, das in der Sache selbst entscheidet (nicht bloß Kassation wie bei bisheriger Vorstellung an die BH).  

Geschäftsverteilung und Geschäftsgang
Grundsätzlich entscheiden Einzelrichter. Senatsentscheidungen (Dreiersenat) sind nur bei Vergaberechtsprüfungen im Oberschwellenbereich vorgesehen. Die Beteiligung von zwei Laienrichtern ist in einem Vierersenat bei bestimmten dienstrechtlichen und disziplinarrechtlichen Angelegenheiten angeordnet. Die konkreten Zuständigkeiten der Richter sind in der Geschäftsverteilung festgelegt.  Der Geschäftsgang wird in der Geschäftsordnung geregelt, soweit er nicht schon im Organisationsgesetz bestimmt ist.  

Wie ein Verfahren abläuft


Allgemeine Grundsätze
Das Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht ist grundsätzlich im Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl I Nr. 33/2013, geregelt. Zudem  sind große Teile des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) oder des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG) maßgeblich.

Am Beginn jedes Verfahrens vor dem Landesverwaltungsgericht steht ein verfahrenseinleitender Schriftsatz, etwa eine Bescheidbeschwerde, welche grundsätzlich bei der Behörde einzubringen ist, die den Bescheid erlassen hat.

Im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht besteht kein Anwaltszwang. 

Im Verwaltungsstrafverfahren kann der Beschuldigte gemäß § 40 VwGVG bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen die Beigabe eines Verfahrenshilfeverteidigers beantragen.

In der Regel erkennt das Landesverwaltungsgericht durch Einzelrichter. Gesetzlich kann vorgesehen werden, dass durch Senate entschieden wird. Wer im Einzelfall zuständig ist, ergibt sich aus der Geschäftsverteilung des Landesverwaltungsgerichts.

Auf Antrag oder von Amts findet eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht statt. In bestimmten gesetzlich vorgesehenen Fällen kann die Verhandlung entfallen (§§ 24 bzw. 44 VwGVG). Im Rahmen der mündlichen Verhandlung haben der Rechtsmittelwerber und alle sonstigen Parteien  (so auch die belangte Verwaltungsbehörde) insbesondere das Recht, Fragen an die Zeugen und Sachverständigen zu stellen.

Ist die Sache entscheidungsreif, entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch Erkenntnis oder Beschluss. Darin spricht es aus, ob die Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig ist. Das Erkenntnis bzw. der Beschluss wird den Parteien des Verfahrens zugestellt.

Gegen Entscheidungen des Landesverwaltungsgerichts kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder (außer-)ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Rechtsmittel sind durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt abzufassen und einzubringen. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht einzubringen. Für die Beschwerde bzw. Revision an die Höchstgerichte ist eine Eingabegebühr von je 240,- Euro zu entrichten.